Gudrun Buchhofer über Jamie Jacksons Paddock Paradise, natürlich Hufpflege und die Vorteile für Pferde

Gudrun Buchhofer über Jamie Jacksons Paddock Paradise, natürlich Hufpflege und die Vorteile für Pferde

Vor über 20 Jahren brach Gudrun Buchhofer ihre Zelte in Europa ab und wanderte mitsamt Pferd von Deutschland nach Kanada aus. Als ausgebildete Hufpflegerin ist sie erfolgreich unterwegs und bildete selber Nachwuchshufpflegende aus. Sie hat selber das Buch „Hoof, Body & Soul“ veröffentlicht und zwei von Jaime Jacksons, dem „Erfinder“ des Paddock Paradise, übersetzt. Im Country-Reiten.de-Interview erzählt sie von ihrer Arbeit, ihrem Leben und der Haltung im Paddock Paradise.

2004 begann Gudrun Buchhofer ihre Ausbildung bei Jaime Jackson und der AANHCP (Association for the Advancement of Natural Horse Care Practices) in den Vereinigten Staaten zum Natural Hoof Care Practitioner und wurde in 2006 zertifiziert. Neben ihrer Vollzeitpraxis als selbständige Hufpflegerin was sie auch für viele Jahre als Ausbilderin im Feld für Studenten der AANHCP. Gudrun hat zwei von Jaime Jacksons Büchern ins Deutsche übersetzt und herausgegeben: Die Offiziellen Trimmregeln der AANHCP und Paddock Paradise. Sie lebt mit ihrem Partner und zwei Pferden in Nova Scotia, Kanada.

Wie ist deine Verbindung zu Paddock Trail/Paradise?

Bereits in Deutschland hat mein Pferd in verschiedenen Offenstallanlagen – zuletzt in einem 4-Sterne-LAG-Laufstall – gelebt. So habe ich auch in Kanada meine Pferde entsprechend gehalten. Mein erstes Paddock Paradise habe ich für meine Pferde 2007 angelegt. Zu der Zeit habe ich das Buch Paddock Paradise von Jaime Jackson ins Deutsche übersetzt. Damals habe ich jedes einzelne Wort, das Jackson über die Lektionen der Wildnis geschrieben hat, aufgesogen! Ich erinnere mich noch heute so klar daran, wie aufgeregt ist war, als ich erstmals Augenzeuge wurde, dass die, von Jackson beschriebenen, Lektionen aus der Wildnis, auch auf meine Pferde zuhause in ihrem Paddock Paradise zutreffen. In der Zwischenzeit habe ich das dritte Paddock Paradise Tracksystem aufgebaut. Ich bin von der Idee überzeugt und zeige nicht nur eifrig Fotos und Videos von Paddock-Paradise-Anlagen auf Facebook, sondern habe auch viele meiner Kunden dazu angestiftet, ihren eigenen Track anzulegen. Paddock Paradise ist tief in mir verwurzelt. Ein Highlight war natürlich der Besuch bei Jaime Jackson in Kalifornien auf dem Paddock Paradise Tracksystem der AANHCP im Januar 2014. Nachsinnend kann ich sagen, dass Pferdehaltung in einem Paddock Paradise eines der tollsten Erlebnisse meines Lebens ist!

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Gudrun Buchhofer - Foto: Roman Buchhofer Photography


Kannst du in kurzen Worten das Konzept erklären?

Paddock Paradise ist eine, von Jackson vorgestellte, natürliche Art und Weise der Pferdehaltung, die sichere und humane Lebensbedingungen ermöglicht und die die natürlichen Instinkte der Pferde nutzt, um Bewegung sowie anderes Verhalten – so wichtig für ein biodynamisch gesundes Pferd - anzuregen und zu fördern.

Bewegung
Die Voraussetzung für ein Paddock Paradise ist, Umfeld und Lebensstil der wildlebenden Pferde aus dem Großen Becken der USA – den Mustangs – nachzuahmen. Fortbewegung zwecks Futtersuche und Futteraufnahme bestimmt das Leben in der Wildnis. Mit einem Paddock Paradise ist es unsere Aufgabe, diesen Bewegungsanreiz zu schaffen und den Pferden ein „Leben“ zu geben. Die Pferde sollten fast ständig auf Achse sein, Heu – strategisch verteilt - und andere Knabbersachen, wie Baumrinde, aber auch Salz und Mineralien zu suchen. Laufen ist ihre Hauptaufgabe!
Im Herdenleben sollen gewöhnliche sowie nicht gewöhnliche Verhaltensweisen ermöglicht werden, wie Baden und Trinken; Wälzen; Schlafen und Ruhen; Fellpflege; Fortpflanzen und Gebähren; Spielen und Flucht.
Von ganz großer Bedeutung für Jackson ist es, dass ein Paddock Paradise ein Ort frei von Hufrehe ist – einmal zur Heilung und Regenerierung von rehegeschädigten Pferden aber vor allem zur Vorbeugung und Vermeidung von Hufrehe. Ein Paddock Paradise Konzept beinhaltet keine grüne Weiden – Jackson nennt sie Hufrehefallen - und keine kommerziell hergestellten Futterzusatzmittel, die Auslöser für Hufrehe sein können. Der Einsatz von Chemie wird möglichst auf null reduziert.

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Gudrun Buchhofers Pferde campen auf dem höchsten Punkt ihres Paddock Paradise in 2007.  (Foto: Gudrun Buchhofer)

Das Umfeld und die Böden des Trails sind von Bedeutung!
Das Umfeld soll so interessant und abwechslungsreich wie möglich gestaltet werden, um Körper und Füße aber auch das Pferd mental zu stimulieren. Um die gewünschten positiven Effekte auf Barhufe zu erhalten, sollte der Track - zumindest Abschnittsweise – mit verdichtetem und abreibenden Material strukturiert sein. So können, durch die viele Bewegung auf dem Track, natürliche Abriebmuster nachgeahmt werden. Das gilt von der Geburt eines Fohlens an!

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Luftaufnahme von Gudrun Buchhofers aktuellem Paddock-Paradise. (Foto: Udo Fagin)

Wie war die Arbeit mit Jaime Jackson?

War und ist bis heute spannend! Von einem Mann zu lernen, der bereits Anfang der 80er mit Wildpferden zusammen gewandert ist, um sie zu studieren; der über 1.500 lebende Mustanghufe begutachtet, vermessen und ausgewertet hat; der Vater von Natural Hoof Care und Erfinder des Natural Trim ist; der so viele Bücher und Bulletins geschrieben hat; und der mir beigebracht hat, den Heilkräften der Natur zu vertrauen, was mich nun mein eigenes Buch schreiben lässt, ist eine sehr einschneidene Erfahrung, für die ich zutiefst dankbar bin.

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Besuch bei Jaime Jackson im Paddock Paradise der AANHCP in Kalifornien. (Foto: Gudrun Buchhofer)

Was ist Naturhufpflege?

Ich glaube, dass ich das Wort als erste verwandt habe, als ich 2008 die deutsche Übersetzung der Trimmregeln von Jackson veröffentlicht habe. Ich wollte ein anderes Wort als Natural Hoof Care benutzen, da das, was in Deutschland unter Natural Hoof Care bekannt ist, nicht der wahren natürlichen Hufpflege entspricht.
Naturhufpflege bedeutet das Nachahmen natürlicher Abriebmuster der Hufe von wilden Pferden aus dem Großen Becken der USA. Diese natürlichen Abriebmuster stimulieren natürliche Wachstumsmuster. Diese natürlichen Wachstumsmuster bringen natürlich geformte Hufe hervor.
Nach Jacksons vier Leitprinzipien bedeutet Naturhufpflege:

1. Lass in Ruhe, was von Natur aus da sein sollte.
2. Entferne nur, was sich in der Wildnis natürlich abnützen würde.
3. Lass wachsen, was von Natur aus da sein soll, jedoch aufgrund von unnatürlichen Kräften fehlt.
4. Ignoriere jegliche Pathologie.

Eine relativ natürliche Ernährung sowie eine natürliche Pferdehaltung sind mit einem Natural Trim eng verwoben.

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Gudrun Buchhofer bei der Arbeit (Foto: Roman Buchhofer Photography)

Was sind die gängigen „Vorurteile“, die gegen das Paddock-Paradiese-Konzept vorgebracht werden und was sagst du dazu?

Generell wird Neues abgelehnt! Seit Jahrhunderten werden Pferde „so“ gehalten.
Veränderung fällt schwer! Der Mensch ist bequem. Aber das hilft ja nichts, wenn wir mal die rosarote Brille abnehmen und schauen, wie es den meisten unserer Pferde wirklich geht.

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Heu wird in engmaschigen Heunetzen strategisch verteilt auf dem Track angeboten. (Foto: Gudrun Buchhofer)

Das Verteilen von Futter macht zu viel Arbeit!
Ich sehe das tägliche Ausmisten von Boxen als eine Menge Arbeit an, die auch für den Menschen in einem ungesunden Klima– das Einatmen von Amoniak und Staub - zu erledigen ist.
Das Verteilen von Futter an der frischen Luft macht Spaß und bringt auch dem Menschen Bewegung. Die Gesundheit der Pferde auf dem Track ist unbeschreiblich! Sie sind einfach happy, zufrieden und mental ausgeglichen. Das Glück ist in den Augen der Pferde zu sehen! Das Leben selber zu bestimmen anstatt im Stall zu stehen; Tag und Nacht zu gehen, wann und wohin sie wollen; ihre Sinne zu schärfen; zu entscheiden, ob sie bei Sturm, Regen oder Schnee drinnen oder draußen sein wollen, zu fressen, wälzen, rennen, spielen, kraulen, knabbern wann immer sie wollen; ohne Stresssymptome - wie koppen, weben, Boxenholz annagen - zu leben; ihre Trittsicherheit und Körper stets durch die viele Bewegung zu trainieren.

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Heunetze auf dem Track von Jamie Jackson. (Foto: Gudrun Buchhofer)

Einen Track anzulegen kostet Geld
Man kann den schönsten und teuersten Track haben – das kratzt die Pferde nicht! Die einfachste Installation mit günstigen Materialien ist ausreichend. Es geht darum, den Pferden ein tolles und abwechslungsreiches „Leben“ zu geben!
Ich sehe langfristige Kostenersparnisse für Tierarzt, Medikamente gegen Magengeschwüre, Trainer, Massagen, Chiropraktik und kommerziell hergestellte Futterzusatzmittel – die Ernährung auf dem Track wird, wenn man dem Autor von Paddock Paradise folgt, naturalisiert. Ebenfalls sehe ich die Vermeidung von chronischer Hufrehe und chronischen Stoffwechselerkrankungen, die heutzutage so viele Pferde trifft, als kostenersparend durch Vorbeugung an.

Die Pferde vertragen sich nicht untereinander – mein Pferd hat sein Verhalten mir gegenüber geändert
Pferde sind Herdentiere und ein Paddock Paradise ist für Pferde gemacht! Ein Pferd ist der Anführer und ein Pferd ist das letzte in der Rangordnung. Und das ist völlig natürlich. Wichtig ist es, dass immer genug Futterplätze vorhanden sind, so dass rangniedrige Pferde immer Heu finden können. Ein ranghohes Pferd kann nicht mehr als einen Futterplatz verteidigen. Die Bewegung, die durch die verteilten Heunetze entsteht, ist Grundgedanke des Konzepts. Verhaltensstörungen durch Einzelhaltung sollten sich ganz schnell legen, wenn die Pferde erstmal merken, was es mit dem Leben auf dem Track auf sich hat. Wenn ich mich im Paddock Paradise aufhalte oder mein Pferd herausnehme, dann ist es an mir, relative Dominanz zu beweisen – zu jeder Zeit.

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Bei den Ausritten erlebt Gudrun Buchhofer stets körperlich und mental fitte Pferde. (Foto: Udo Fagin)

Wie kann man selber als Stallbetreiber erste Schritte in Richtung Paddock Paradise Tracksystem machen?

Erst einmal nutzen, was zur Verfügung steht. Auch auf dem kleinsten Paddock oder Stück Weide lässt sich ein Track anlegen. Oftmals ist um ein Stallgebäude ringsherum ein breiter Streifen befestigter Boden. Dieser so ideale Platz neben oder hinter den Gebäuden wird häufig gerne als Mülldeponie genutzt.
1. Eine Ladung engmaschige - slow-feeding – Heunetze anschaffen und einen Anfang mit dem strategischen Verteilen von Futter machen. Die Netze relativ niedrig mit einer break-away Lösung anbringen. Heuraufen laden zum Verweilen ein. Auch glaube ich, aufgrund meiner beruflichen Erfahrung, dass sich die Fressposition für Pferde an einer Heuraufe ungünstig auf die Stellung der Füße und Beine auswirkt und somit Muskelverspannungen ergeben kann. Für Pferde, die keinen Zugang zu Wald haben, Äste absägen und zur Verfügung stellen – entweder auf einem Haufen oder in Form einer Totholzhecke. Auch kann man schon mal das Salz weiter entfernt vom Wasser platzieren, um Bewegung zu fördern.
2. Das Buch Paddock Paradise von Jaime Jackson lesen. Anregungen von anderen Anlagen und Information über eventuelle Auflagen vor Ort einholen. Einen Plan erstellen.
3. Vorhandenes Stallgebäude in einen Offenstall umwandeln – eventuell vorhandene Boxenwände entfernen.
4. Mit einem Track anfangen. Später kann man weitere Track-Abschnitte anlegen und miteinander verbinden.

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Auch eine Wasserstelle ist im Angebot.(Foto: Gudrun Buchhofer)

 

Weitere Infos unter www.horsesgonatural.net