Pferdedecken: jetzt eindecken oder nicht? - Kann das Eindecken auch schaden?

Pferdedecken: jetzt eindecken oder nicht? - Kann das Eindecken auch schaden?

Kann das Eindecken auch schaden?

Tanja Romanazzi (Offenstallkonzepte): Ja, ich habe schon ein Pferd mit einer heftigen Schleimbeutelentzündung am Widerrist erlebt, eine Lungenentzündung wegen einer nassen Decke und deutliche Lungenprobleme wegen regelmäßigem Nachschwitzen unter der Decke.


Christine Garbers (VFD): Ja, leider kann falsch verstandenes Eindecken auch Schaden anrichten. Eindecken mit zu dicken Decken bei warmen Wetter, lässt die Pferde schnell schwitzen. Kommt Wind hinzu, steigt die Gefahr von Erkältungen. Die eigene Thermoregulation des Pferdes wird völlig durcheinander gebracht, das Pferd kann auf die so wichtigen Außenreize nicht mehr adäquat reagieren, das Immunsystem wird geschwächt. Eine Decke bei nasskaltem Wetter nützt auch nur solange, wie sie wirklich dicht hält – ein nasses Pferd unter einer nassen Decke friert nur noch mehr, da es sein Fell aufgrund der Schwere der Decke nicht mehr aufstellen kann und dadurch das wärmende Luftpolster fehlt. Also ganz wichtiges Fazit: Wer sein Pferd – auch nur vorübergehend – eindecken muss, sollte das Pferd sehr genau im Auge behalten und auf Änderungen entsprechend reagieren. Am besten ist es aber, wenn die Haltungs- und Nutzungsbedingungen eine Decke überflüssig machen. Dann ist man auf dem richtigen Weg.

 

MDfinal

Es muss jedoch immer beachtet werden, dass es sich dabei um Eingriffe in den natürlichen Thermoregulationsmechanismus des Pferdes handelt und daher sollten stets eine Berücksichtigung der Nutzungs- und Haltungsbedingungen sowie die Orientierung am aktuellen wissenschaftlichen Stand erfolgen.

Dr. Michael Duee (FN)

 


Dr. Michael Duee (FN): Die Thermoregulation bei geschorenen und eingedeckten Pferden, muss zu jeder Zeit fachkundig unterstützt und kontrolliert werden. Das heißt durch entsprechende Eindeckung, insbesondere außerhalb der Trainingszeiten, muss gewährleistet werden, dass sich die Körpertemperatur zu jeder Zeit im optimalen Bereich befindet. Dabei muss die Deckenauswahl nicht nur entsprechend der Witterung gewählt werden, sondern auch die richtige Passform ist für das Wohlbefinden des Pferdes verantwortlich. Haarlose oder wundgescheuerte Haut durch nicht korrekt sitzende Decken stellen ein häufiges Problem dar und müssen verhindert werden.
Des Weiteren erfährt die Haut durch eine dauerhafte Eindeckung eine deutlich eingeschränkte Luftzufuhr, was zu Hauterkrankungen wie beispielsweise verstopften Talgdrüsen führen kann. Ein hoher Hygienestandard sowie eine gute Fellpflege können das Hauterkrankungsrisiko deutlich minimieren.
Durch die Möglichkeit der freien Bewegung kann das Pferd ein Kälteempfinden durch erhöhte Bewegungsaktivität und wärmebildende Muskelarbeit kompensieren. Zudem erhöht eine ideale Nahrungszufuhr die körpereigene Wärmeproduktion insbesondere die Verdauung von rohfaserreichem Futter erzeugt als Nebenprodukt große Wärmemengen.


Dr. Katja Roscher (Justus-Liebig-Universität Gießen): Ein Schaden ist grundsätzlich denkbar, wenn die Decke nicht passt oder die Pferde damit hängen bleiben. Ein Schaden durch das Eindecken per se – mit Ausnahme von hygienischen Problemen/Feuchtigkeit - ist eher unwahrscheinlich.

 

TRfinal

Pferde haben eine ausgesprochen hohe Fähigkeit zur Thermoregulation, d.h. sie können sich wunderbar auf wechselnde Temperaturen einstellen. Decken behindern diese Fähigkeit und begrenzen zudem die Beweglichkeit.

Tanja Romanazzi (Offenstallkonzepte)

 


Katharina Claudi (LAG e.V.): Neben der gestörten Thermoregulation, die durch das Eindecken des Pferdes stark beeinträchtigt wird, können die deckenfreien Bereiche des Pferdes unterkühlen oder eine Art „Fieber“ im Bereich unter der Decke entstehen. Des Weiteren können Decken ein gewisses Verletzungspotenzial mit sich bringen. Die Pferde können sich in der Gurtung verfangen oder damit an Gegenständen hängen bleiben. Die Ausübung des Sozialverhaltens der Pferde untereinander ist eingeschränkt und - bei Deckenbeschädigung durch andere Pferde - auch das der Pferdebesitzer untereinander ...


Dr. Barbara Rauch (KPA): Es gibt -wie bei allen anderen Themen- auch hier keine Patentlösung, kein allgemeingültiges Falsch oder Richtig. Im Unterricht empfehlen wir, auszuprobieren und die Pferde im Wohlbefinden zu beobachten. Das setzt natürlich Kenntnisse darüber und den Blick dafür voraus. Das Argument verstehe ich: ich möchte ein sauberes Pferd vom Paddock holen. Nur das Argument: mein Pferd soll es gut haben, kann ich an dieser Stelle nicht teilen. Welcher Notwendigkeit gebe ich Vorrang? Jeder sollte sich bewusst sein, dass er eingreift in das hochkomplizierte und wundervoll funktionierende Gesamtkonzept, und dass dieses bei allen weiteren Maßnahmen dann berücksichtigt werden muss.

 

Dr. Judith Winter (Freie Universität Berlin): Schaden kann das Eindecken in Fällen, wo die Decke nicht genau passt, scheuert und rutscht. Oder wenn eine nicht regenfeste Decke doch mal nass wird und das Pferd für längere Zeit eine nasse Decke tragen muss. Ersteres kann man durch sorgfältiges ausmessen und einen eventuellen Deckenschoner vermeiden.